Fritz W. Scharpf, Der Europäische Währungsverbund. In: Jürgen Rüttgers, Frank Decker (Hrsg.), Europas Ende, Europas Anfang. Neue Perspektiven für die Europäische Union, Frankfurt/New York 2017.
Fritz W. Scharpf, Vom asymmetrischen Euro-Regime in die Transferunion – und was die deutsche Politik dagegen tun könnte. In: Discussion Paper 17/15 des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung (open access). (Auch in: Leviathan 2017, Nr. 45 (3), S. 286-308).
In der Diskussion um die Einführung, Gestaltung und Probleme einer Währungsunion war und ist der Ökonomismus eine nicht wegzudenkende Größe. Direkt oder indirekt bezieht er sich dabei auf den alten Aufsatz von Robert Mundell zu optimalen Währungsräumen und verwendet dessen Begrifflichkeiten und Methoden („A Theory of Optimum Currency Areas“, in: The American Economic Review, Vol. 51, 1961). Soweit es die Europäische Währungsunion betrifft ist der Bezug auf Mundell allerdings problematisch, da er seinen Beitrag nicht als eine Argumentation gegen die Einführung der europäischen Währungsunion verstanden wissen wollte, im Gegenteil, er sprach sich ausdrücklich für deren Einführung aus. Von seinem ursprünglich strikt realwirtschaftlichen Ansatz hat er sich später auch distanziert.
Die Argumentation der ökonomistischen Spielarten geht in der allgemeinen Kurzfassung so: Für die Einführung einer Währungsunion sind teilnehmende Staaten nur dann geeignet, wenn sie über hinreichend konvergente oder homogene Wirtschaftsstrukturen verfügen, gegen die Einführung spricht, wenn die Staaten zu heterogen sind. Eine bestehende Währungsunion zerbreche auch – mit ökonomischer Zwangsläufigkeit –, wenn die Teilnehmer zu heterogen sind oder sich heterogen entwickeln.
Nebenbei: Schon auf der Ebene der Versuchsanordnung bleibt bei Mundell und seinen Nachfolgern ausgeschlossen, dass die Einführung einer Währungsunion Entwicklungspotentiale hat, die über andere monetäre Außenverflechtungen, z.B. Wechselkursordnungen, hinausgehen. Ausgeklammert bleibt insbesondere die Schutzfunktion, die eine Währungsunion gegenüber dem Währungswettbewerb innehat. Seine Ursache hat diese Herangehensweise darin, dass rein realwirtschaftlich im Rahmen von Faktorbewegungen gedacht wird und die Währungsunion für ein „abgeleitetes“, determiniert von realwirtschaftlichen Konstellationen Phänomen gehalten wird.
Eine Spielart dieser Denkweise findet sich in den beiden Aufsätzen von Fritz W. Scharpf. Im Einzelnen entwickelt Scharpf folgende Argumentation: Deutschland hat in der Euro-Krise ein wirtschaftspolitisches Regime aufgebaut, das nur zu den exportorientierten Ländern des Nordens der Währungsunion passt und die Südländer in die Krise getrieben hat und weiter treibt. Dieses Euroregime besteht aus zwei Bestandteilen, fiskalischer Austerität und Lohndämpfung, die zum Zwang einer „inneren Abwertung“ führen, da keine äußere Abwertung über den Wechselkurs mehr zur Verfügung steht. Dieses Politikmodell passt zu Ländern, deren Wirtschaftsstruktur auf einem hohen Anteil des Exportsektors bzw. einem Außenhandelsüberschuss beruht, also bspw. Deutschland und den Niederlanden, Länder mit überwiegend binnenmarktorientierter Wirtschaftsstruktur werden unter dem Joch dieses Euroregimes in eine Spirale der Ausweglosigkeit getrieben. Die beiden genannten Komponenten drosseln die Nachfrage und verschärfen dadurch die Krise. Damit erweise sich das Regime als „asymmetrisch“.
Nun könnte man auf die Idee kommen, der Hebel für die Überwindung der Krise der Währungsunion liege darin, dass das von Deutschland erzwungene Euroregime mit seinen Komponenten überarbeitet und neugestaltet werden sollte, im Wesentlichen liefe das auf eine Umkehr der Leistungsbilanzungleichgewichte, eine Fiskalpolitik des Deficit spending und eine Harmonisierung in der Lohnpolitik hinaus. Das aber funktioniere nicht, so Scharpf.
Die Währungsunion könne in der jetzigen Form nur bestehen, wenn ihre Teilnehmer in der Wirtschaftsstruktur konvergierten: alle müssen exportorientiert, lohnmäßigend und sparsam werden. Für die Länder, die diesen Anforderungen nicht genügen, sieht Scharpf – wenig überraschend – den Austritt aus der Währungsunion vor. Auf die vorliegenden Reformentwürfe (Fiskalunion, europäische Arbeitslosenversicherung, europäischer Marshallplan usw.) gibt er nicht einen Heller, Deutschland sollte sie abwehren, da sie allesamt auf eine Transferunion hinausliefen und damit auf eine dauerhafte Kostgängerschaft der Südländer. Soweit im Allgemeinen, nun im Detail.
Krisenursachen
Wer die Krisenursache nicht verstanden hat, kann in der Folge auch nichts Sinnvolles zur Krisenlösung beitragen. Scharpf zu den Krisenursachen:
„Auf diese (die steil ansteigenden Staatsschulden, d.Verf.) reagierten dann wiederum die Kapitalmärkte mit steigenden Risikozinsen auf die Staatsschuld der Defizitländer, die schließlich Staatsfinanzkrisen in Griechenland und danach in Irland, Portugal und anderen Euroländern zur Folge hatten, die von der Politik als Eurokrise interpretiert wurden. Diese Zusammenhänge sind inzwischen weitgehend unbestritten (Herv. d. Verf.)“ (S. 199).
Was Scharpf hier liefert, ist reine, halb tautologische Deskription und darin an mehreren Stellen noch unrichtig bzw. ungenau. Irland war eigentlich kein Defizitland, es gab keine Staatsfinanzkrisen, sondern „nur“ steigende Risikoaufschläge auf den Staatskredit und der insinuierte Zusammenhang, dass in der Krisensituation, also 2008/2010/11, die Strukturprobleme der Defizitländer zum Ausdruck kamen, ist durch nichts belegt, dieselben Wirtschaftsstrukturen gab es auch vorher schon.
Scharpf hat offensichtlich die Funktionsweise der Währungsunion nicht verstanden. Das Problem liegt in der Formulierung, dass auf die steigenden Staatsschulden die Kapitalmärkte mit Risikoaufschlägen reagierten. Hohe Staatsschulden bzw. gravierende Unterschiede in den Verschuldungsgraden gab es auch schon in dem Jahrzehnt vor dem Ausbruch der Finanzkrise und trotzdem hielten die Finanzmärkte die Füße still, auch als die Dotcom-Blase platzte. Als die Finanzkrise dann 2008 mit voller Wucht die Finanzwelt durchschüttelte, blieb bei den Zinsen in der Währungsunion zunächst alles beim Alten: die Zinsen auf den Staatskredit blieben bei allen Ländern – Defizitländer wie Überschussländern, Ländern mit beträchtlicher Staatsschuld und Ländern mit geringer Staatsschuld, großen, kleinen und mittleren Ländern usw. usf. – gleich. Diese Zinsgleichheit war das Hauptcharakteristikum dieses Typs Währungsunion, wäre sie nicht gegeben gewesen, hätte für die „kritischen“ Länder überhaupt kein Anlass bestanden, ihr beizutreten. Erst als Ende 2009 im Übergang zu 2010 die Politik den Finanzmärkten signalisierte, dass man Risikoaufschläge tolerieren würde, begann der Spread zwischen den stabilen Ländern und den vermeintlich unsicheren Kantonisten so richtig seine Kraft zu entfalten. Es handelte sich also tatsächlich um eine „Eurokrise“, besser: eine Krise der Ordnungspolitik des Euros und nicht um eine Krise auf der Ebene realwirtschaftlicher Saldenkonstellationen.
Krisenanalyse
Als Hauptproblem markiert Scharpf die deutschen Exportüberschüsse (und jene der anderen „nördlichen“ Länder), die in der Währungsunion dauerhaft werden, da sie nicht mehr durch Aufwertungen „gekürzt“ werden können wie in Wechselkursordnungen. Daraus und der den Südländern oktroyierten Wirtschaftspolitik (Austerität plus Lohnkürzung) ergäbe sich die asymmetrische Struktur des deutschen Euro-Regimes.
Die Regeln des deutschen Euroregimes (Förderung des Exports durch Austerität und Lohnkürzung) wirken, so Scharpf, asymmetrisch, sie taugen für die exportorienteierten Länder des Nordens, aber nicht für die eher am Binnenmarkt orientierten Länder des Südens (S. 199-201). An anderer Stelle wird unter der Asymmetrie verstanden, dass die Regeln zu hohe Verschuldung unterbinden wollen, aber nicht zu viel Ersparnis, zu hohe Lohnforderungen verhindern wollen, aber nicht zu geringe, gegen Leistungsbilanzdefizite, aber nicht gegen Überschüsse (Discussion Paper, S. 5).
Wenn der Leistungsbilanzüberschuss das Kardinalproblem der Währungsunion darstellt, so lautet, wie oben angedeutet, die naheliegende Schlussfolgerung, die auch von der EU-Kommission vertreten wird, müssten die deutschen Überschüsse beseitigt werden. Die Überschüsse, so Scharpf, können allerdings nicht beseitigt werden, weil sie aus „privaten Rechtstiteln“ (S. 205) bestünden, sie nicht das komplexe Ergebnis einer Wirtschaftsordnung und einer spezifischen Wirtschaftspolitik, sondern, so der Forscher vom Institut für Gesellschaftsforschung, das Ergebnis einer (unveränderlichen) Rechtsordnung sind. Der Rechtstitel lautet, nicht wie sonst auf den individuellen Unternehmern, sondern einer außenwirtschaftlichen Konstellation. In dem Discussion Paper deutet Scharpf gar an, dass die Einflussnahme auf die gewerkschaftliche Lohnpolitik verfassungswidrig sei (S. 14). Der Exportüberschuss wird mit Zähnen und Klauen verteidigt.
In all den deutschen Versuchen, die Unmöglichkeit oder, wahlweise, die Unsinnigkeit einer Beseitigung der Leistungsbilanzüberschüsse „nachzuweisen“, ist der Hinweis auf die Rechtsposition der eindrücklichste. Der Hinweis hat fast die Qualität jenes, dass die Leistungsbilanz nicht von der Regierung gesteuert wird und daher außerhalb ihrer Kompetenz liege.
Die in der Diskussion befindlichen Vorschläge kanzelt Scharpf kurz und bündig ab. Die Gewerkschaften könnten nicht zu Streiks für höhere Löhne aufgefordert werden, höhere Staatsausgaben würden zu mehr Importen aus Asien führen. Die Verbraucher könnten nicht zu mehr Kreditaufnahme gezwungen werden und vor einer Senkung der Umsatzsteuer stünde schon die Kommission im Wege.
Extreme Ausschläge bei Leistungsbilanzsalden können und werden in Wechselkursordnungen abgemildert und geschliffen, selten ganz umgedreht, obwohl dies über die längere Frist das Ziel sein sollte. In einer Ordnung flexibler Wechselkurse und in einer Währungsunion, wenn diese keine regulativen Mechanismen einbaut, tendieren Überschüsse und Defizite eher zum Erratischen und zur Verfestigung. Der über die mittlere und längere Frist anzustrebende Ausgleich, was einen Wechsel in den Überschuss- und Defizitpositionen impliziert, kommt nicht zustande, im Gegenteil die Defizit-Überschuss-Positionen verfestigen sich. So extrem hoch und so extrem dauerhaft wie in den vergangenen beiden Jahrzehnten war die deutsche Position jedenfalls noch nie.
Dessen ungeachtet: Den internationalen Forderungen nach einem Abbau der Überschussposition in der Währungsunion sollte gefolgt werden durch folgende Maßnahmen:
- Massive Erhöhung der Staatsausgaben im Bereich der Infrastruktur (Städtebau, Digitalisierung, Bildung). Von Zusatznachfrage nach asiatischen Produkten, wie Scharpf phantasiert, kann in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein, es handelt sich um Steigerung der (europäischen) Binnennachfrage.
- Wenn schon Notenbanken und der IWF die deutschen Gewerkschaften animieren, eine nachhaltigere Lohnpolitik zu betreiben, muss Gewerkschaftspolitik in einer sehr fundamentalen Krise stecken. Die gewerkschaftlichen Forderungen in der Tarifpolitik setzen sich gegenwärtig aus einer Inflations- und einer Produktivitätskomponenten zusammen. Dereinst gehörte auch eine Verteilungskomponente dazu. Dereinst. Unter den Bedingungen der Währungsunion wäre in jedem Falle eine Europakomponente empfehlenswert.
- Abschöpfung bei Geldvermögen vulgo den Ersparnissen durch Besteuerung (Vermögensabgabe, Spitzensteuersatz).
Um sich die Potentiale einer Währungsunion zu verdeutlichen, vergleiche man sie am besten mit den Verhältnissen in einem Bundesstaat.
Definitionsgemäß gibt es in einer Währungsunion keine Wechselkurse mehr. Eigentlich gibt es in einer Währungsunion, zumal wenn sie gepaart ist mit einem Binnenmarkt, auch keine Außenhandelssalden. Außenhandelssalden zwischen Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern werden statistisch auch nicht ausgewiesen. Würde man sie errechnen, käme man mutmaßlich zu dem Ergebnis, dass Baden-Württemberg einen beachtlichen Überschuss und Mecklenburg-Vorpommern ein ebenso beachtliches Defizit aufwiesen.
Wo ist das „Geheimnis“: In einem Bundesstaat wie Deutschland gibt es „Überschussregionen“ und „Defizitregionen“, und zwar dauerhafter Art, z.B. die genannten Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. Dass beide Regionen in einer „Währungsunion“ vereint sind, entspricht nicht den konventionellen Ansprüchen eines optimalen Währungsraumes. Sie sind es gleichwohl, und dennoch kommt kein Mensch auf die Idee, Austritte aus dem gemeinsamen Währungsraum zu fordern, um bspw. für Mecklenburg-Vorpommern wechselkurspolitisch induzierte Aufholprozesse zu organisieren.
An dieser Stelle fallen den meisten, wenn sie erklären sollen, wie das Miteinanderauskommen unter dem Dach eines Währungsraumes funktioniert, ein: 1.) dass die Defizitregion ihr Defizit mit Kreditaufnahme finanziert und 2.) der Länderfinanzausgleich. Beide Elemente können aber die deutsche Wirklichkeit nicht erklären: Nicht alle Defizitregionen sind exorbitant hoch verschuldet und der Finanzausgleich hat längst nicht die quantitative Dimension, als dass er die realwirtschaftliche Defizitposition ausgleichen könnte. Trotzdem können die beiden Regionaltypen in einem Bundesstaat koexistieren und sie verfügen – das ist das entscheidende – über das gleiche Zinsniveau für den öffentlichen Kredit, weil es eine implizite Bundesgarantie gibt, die aber nicht zu übermäßigem moral hazard führt. Diese nicht stumme Garantie bzw. das Verständnis als vereinte Gemeinschaft gegenüber dem Kapitalmarkt zeichnete auch die Stärke der europäischen Währungsunion des ersten Jahrzehnts aus.
Woher kommt die deutsche Angst vor der Haftungsübernahme bzw., wie es jetzt heißt, der Risikoteilung? Wäre das heutige Europa mit Südamerika vergleichbar, ließe sich die Angst vor der Staatsinsolvenz noch einigermaßen rational begründen. Tatsächlich aber gab es in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg drei staatliche Insolvenzfälle (sieht man von der Insolvenz des Deutsches Reiches 1945 ab), wobei der Begriff genau genommen nicht korrekt ist, da es sich immer um Teilinsolvenzen handelte, d.h. ein Teil des Staatskredits restrukturiert werden musste. Der erste Fall betrifft Russland, das 1998 einen Teil des Staatskredits nicht mehr bediente und damit eine kleinere Finanzkrise verursachte. Der zweite Fall bezieht sich auf Island, wo nach der Finanzkrise einige Banken ins Wanken gerieten. Der dritte Fall ist der „hair cut“ der griechischen Staatsschulden 2012, innerhalb dessen durch den Europäischen Rat ein Schuldenschnitt vereinbart wurde. In allen Fällen waren es Banken, die den Staatskredit in Mitleidenschaft gezogen hatten. – Die reale Bedrohung durch ein Bail-in ist also minimal, so dass dem Haftungsausschluss als zentraler deutscher europapolitischer Position der Status eines vorgeschobenen Arguments zugemessen werden muss.
Krisenlösung
Die Krise wird von Scharpf erstens falsch verortet, nämlich in den realwirtschaftlichen Außenhandelssalden bzw. Struktureigenschaft der beteiligten Volkswirtschaften und nicht als Ordnungskrise der Währungsunion. Sie wird von ihm zweitens falsch analysiert, indem Scheingefechte um fiktive außenwirtschaftliche Salden gefochten werden. Wer sich so versteigt wie Scharpf, muss die Lösung auch auf dieser Ebene suchen: Die Defizitländer müssen raus dem Euro – von anderen Vertretern des Kölner Max-Planck-Instituts ist das durchaus bekannt –, um im Rahmen des Wechselkursmechanismus (WKM) aktive Wechselkurspolitik zu betreiben.
Hierzu zwei Probleme:
- Wer soll alles raus aus dem Euro? Folgt man der Gliederung „großer Anteil des Exportsektors versus kleiner Anteil des Exportsektors an der Gesamtwirtschaft“, dann wären das Griechenland, Portugal, so weit klar, aber auch Frankreich und Italien. Diese Absurdität auszusprechen, scheint Scharpf dann doch zu absurd. Die Absurdität bezogen auf Frankreich etikettiert er lediglich mit „besonders schwierige Entscheidung“ (S. 18).
- Wie von Streeck bekannt, wird die Wechselkurspolitik der vergangenen Jahrzehnte verklärt. Nicht ausgesprochen, aber doch gemeint ist, dass damit markante wirtschaftliche Aufholprozesse ermöglicht wurden. Was hat sich mit den 62 Wechselkursanpassungen in der EWS-Zeit (1979-1999) an Strukturverschiebungen zwischen den beteiligten Ländern ergeben? Nicht bekannt ist, dass Frankreich und Italien, die Wechselkurspolitik betrieben haben, eklatante Aufholprozesse organisieren konnten.
Fazit
Die von Scharpf unternommene Suche nach den „wirtschaftlichen Ursachen von Staatsfinanzkrisen“ (S. 200) durch einen „strukturalistischen Ansatz“ (Discussion Paper, S. 2), wobei unter Strukturen Überschuss- bzw. Defizitpositionen und binnenmarkt- oder exportorientiert Wirtschaften meint, führt ins Nirgendwo.
Griechenland haben die Finanzmärkte bei ihrem Test auf Extraverzinsung herausgepickt, nicht weil es über einen kleinen Exportsektor verfügt, sondern weil es das schwächste Glied war und sich die dortige konservative Regierung einige Peinlichkeiten leistete. Wenig später konnte auch Irland getestet und herausgepickt werden, obwohl es eigentlich über eine exportorientierte Ökonomie verfügt. Und Portugal, das dritte Programmland, kann jetzt wirtschaftlich reüssieren, ohne sich in eine Exportnation verwandelt zu haben, obgleich die Defizitposition durch radikale Sparpolitik weggeschmolzen wurde.
Die Alternativen (Austritt aus der Währungsunion und Wechselkurspolitik) sind eigentümlich unpolitisch, sie vernachlässigen die Währungsunion als politischen Verbund, und realitätsblind, überschätzen sie doch die Möglichkeiten wirtschaftlicher Aufholprozesse durch Wechselkurspolitik.
Eine Währungsunion ist primär eine durch ihre Größe bedingte Vertrauens- und Schutzgemeinschaft, die jenseits von Transfers Regionen bzw. Ländern mit unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen ein Dach bieten kann.
Im analytischen Kern verdeutlicht die Rechtfertigung der deutschen Exportposition einen verblüffenden (sozialdemokratischen) Wirtschaftsnationalismus. In der wirtschaftspolitischen Schlussfolgerung ist die Empfehlung stockreaktionär, macht sich gemein mit dem Ekelhaftesten, was derzeit in Deutschland und Europa politisch herumgeistert.
Wer sich die Währungsunion wie eine hydraulisch betriebene Maschine vorstellt, in der nicht Flüssigkeiten, sondern ökonomische Größen, z.B. auszugleichende Außenhandelssalden, wirken, kommt mit einer gewissen Konsequenz zu Prophezeiungen wie dem Untergang der Währungsunion. Auf ins Wettbüro, kann man da nur sagen.